top of page

Lange Ehe: Vom richtigen Zeitpunkt


Anfang des Jahres habe ich mit einem guten Freund übers Heiraten gesprochen. Denn wir haben uns beide gefragt, ob ein „besonderer“ Hochzeitstag wie der 22.02.2022 dabei hilft, eine lange (und glückliche) Ehe zu führen. Aus verschiedenen Gründen (nicht zuletzt erwiesen sich sämtliche Standesämter in München bereits als ausgebucht) kam ein eigenes Experiment nicht in Frage. Glücklicherweise hat man als Statistikerin andere Möglichkeiten, sich derartigen Fragestellungen zu nähern…

Der Aberglaube spielt bei Hochzeitsbräuchen schon immer eine große Rolle: Der Bräutigam darf das Brautkleid vor der Hochzeit nicht sehen; sollte der Ehering während der Trauung zu Boden fallen, bringt dies Streitigkeiten in der Ehe, und ein Glückscent im Schuh der Braut schützt vor Geldsorgen.

All diese Traditionen sollen vor Unglück bewahren und eine möglichst lange Ehe beschwören. Auch beim Datum der Eheschließung setzen so manche Zukünftige auf besondere „Glückstage“, der 22.02.2022 ist heute ein Paradebeispiel. An diesen Schnapszahl-Tagen heiraten im Schnitt mehr als siebenmal so viele Paare im Vergleich zu einem normalen Tag.

Das ergibt sich aus einem Datensatz sämtlicher Ehen, die in der Schweiz zwischen 1987 und 2010 geschlossen wurden. Aber ist an solchen Glückstagen etwas dran?

Halten Ehen, die an besonderen Daten geschlossen werden, wirklich länger?

Statistisch gesehen, ja. Zumindest in der Schweiz. Das ist das erstaunliche Ergebnis einer Überlebenszeit-Analyse, die wir anhand dieser Ehepaare durchgeführt haben.

Für jedes einzelne Paar ist bekannt, ob eine Ehe (zumindest auf dem Papier) im Jahr 2010 noch bestand. In gut 250.000 Fällen hatte die Liebe nicht solange überlebt, 225.000 Paare waren durch den Richter und knapp 30.000 durch den Tod geschieden worden. Es lässt sich ferner berechnen, wie viel Prozent der Ehepaare nach einem, zwei oder sieben Jahren immer noch verheiratet waren und wie lange eine geschiedene Ehe zuvor bestanden hatte.

Schnapszahlen bringen Eheglück …

Ein einfacher, erster Ansatz vergleicht die relative Häufigkeit geschiedener Ehen mit Schnapszahl-Hochzeitstag und derjenigen, die an einem „normalen“ Tag geheiratet haben. Der Anteil der Scheidungen ist höher für Ehen, die an beliebigen Tagen geschlossen werden. Um zu überprüfen, ob der Tag der Hochzeit tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf die Scheidungsrate hat, wird ein Chi-Quadrat-Test durchgeführt. Das Ergebnis ist hoch signifikant.

Aber diese Vorgehensweise nützt die Information über den Zeitpunkt der Scheidung noch nicht aus.

Das Scheidungsrisiko im Verlauf der Ehe bleibt schließlich nicht konstant.

Weil außerdem relativ wenige „Langzeit-Ehen“ und dafür relativ viele „Kurzzeit-Ehen“ im Datensatz vorkommen, ist die Aussagekraft der Scheidungszahlen nach langer Ehedauer wesentlich geringer als in den Anfangsjahren einer Ehe. Moderne statistische Methoden können solche speziellen Datenlagen aber berücksichtigen.


Schnell zum Traualtar - Wer heute heiratet, lässt sich seltener scheiden

Eine Studie hat herausgefunden, welches Datum Paare für eine lange Ehe wählen sollten.

Sogar die BILD-Zeitung hat sich für unsere Studie interessiert…

Mit der sogenannten Cox-Regression werden typischerweise Überlebenswahrscheinlichkeiten bei medizinischen Fragestellungen analysiert. Man untersucht beispielsweise, ob eine bestimmte Therapie oder Präventionsmaßnahme dazu führt, dass man länger lebt. In unserem Fall ist die Präventionsmaßnahme der Hochzeitstag an einem besonders „glücksbringenden“ Datum. Die Schwierigkeit solcher Daten ist, dass Beobachtungen rechts-zensiert sind. Das bedeutet, dass am Ende des Beobachtungszeitraumes (also rechts auf dem Zeitstrahl) über die noch verbliebenen Ehen keine Aussage getroffen werden kann, ob die Ehe irgendwann durch den Tod oder doch noch durch eine Scheidung endet.

Das Cox-Regressionsmodell berechnet nun die sogenannten Hazard-Raten der zensierten Scheidungsdaten unter Berücksichtigung der Zu- und Abnahme der Menge aller verheirateten Personen. Die Verwitwungen werden hier also auch einbezogen. Die Hazard-Rate bezeichnet hier die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung in einem bestimmen beliebig kleinen Zeitraum. Der Cox-Koeffizient der Eheschließungen an „Glückstagen“ beträgt 0,7999 und ist hoch signifikant. Das bedeutet:

Das Scheidungsrisiko über die beobachteten maximal 24 Jahre ist im Schnitt um gut 20 Prozent reduziert, wenn an einem Schnapszahl-Tag geheiratet wird.

Damit bestätigt die Cox-Regression das Ergebnis der „naiven“ Berechnung von Scheidungsraten.

Wann die Liebe geht

Die Überlebenskurven kann man auch grafisch in einer sogenannten Kaplan-Meier-Kurve darstellen. Die Koordinaten der Kurve ergeben sich aus dem Kaplan-Meier-Schätzer. Er gibt an, bei wie vielen Ehen bis zum Jahr 2010 keine Scheidung eingetreten ist. Die Überlebenswahrscheinlichkeit bezieht sich deshalb hier auf die Wahrscheinlichkeit, nach einem, zwei, sieben oder auch 24 Jahren noch verheiratet zu sein.

Im Weiteren wird also das Scheidungsrisiko für jedes einzelne Ehejahr sowie für die Gesamtdauer von 24 Jahren errechnet. Nichts anderes machen Versicherungen, wenn sie Sterbetafeln aufstellen, etwa um die Prämien einer Lebensversicherung zu kalkulieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine beliebige, an einem „normalen“ Tag geschlossene Schweizer Ehe mindestens 23 Jahre überlebt, beträgt demnach 63,2 Prozent. Für die Ehen mit „besonderem“ Hochzeitstag beträgt diese Wahrscheinlichkeit jedoch 69,3 Prozent. (Da das erste Schnapszahl-Datum der 8.8.1988 war, kann es im vorliegenden Datensatz keine entsprechende Ehe mit 24 Jahren Dauer geben.)

Diagramm zu Scheidungsrisiko für jedes einzelne Ehejahr in Abhängigkeit des Hochzeitsdatums

Survivalkurven Ehe. Bildquelle: STAT-UP


Das größte Risiko, in einem bestimmten Ehejahr geschieden zu werden, wenn man zu Beginn desselben Jahres noch verheiratet war, findet sich übrigens für beide Gruppen tatsächlich im Jahr sieben.

Das Scheidungsrisiko im siebten Ehejahr ist um etwa die Hälfte höher als das durchschnittliche Scheidungsrisiko in allen anderen Jahren!

Das „verflixte siebte Jahr“ gilt also unabhängig davon, ob man an einem „Glückstag“ geheiratet hat oder nicht.

… und der Storch bringt die Babys?

Korrelation ist nicht gleich Kausalität – sonst könnte man statistisch ja nachweisen, dass der Storch die Babys bringt. Denn parallel zur Storchenpopulation in Mitteleuropa sind auch die Geburten zurückgegangen. So mag der Grund für die länger haltende Ehe vielleicht am Glück der Schnapszahl liegen. Vielleicht liegt es aber auch am verringerten Streitpotenzial, weil man(n) sich so ein Datum leichter merken kann…

Wer nun die eigene Ehe mit statistisch gesehen möglichst besten Voraussetzungen starten möchte, aber mit der Eheschließung nicht bis zum 03.03.2033 warten möchte, kann auf das (Un-)Glück eines Freitags, den 13. bauen. Dieser Tag zeigt bei der Cox-Regression einen Koeffizienten von 0,9597, das prognostizierte Scheidungsrisiko ist also um 4 Prozent gegenüber der durchschnittlichen Eheschließung reduziert. Und der nächste Termin wäre schon am 13. Mai 2022…

Zum Nachlesen: Hoppe E, Schüller K: Analysis of Marriage Durations. Applying the Cox Proportional Hazards Model to Analyze the Effect of Wedding Dates on the Duration of Marriages. DOI: 10.13140/RG.2.2.14091.16167

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page